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Trösch, 2002
Architekt Hannes Trösch plant eine Piazza Grande im
See
Plätze und Menschen
Eine richtige Stadt braucht einen richtigen Platz
mju. "Der Bürkliplatz ist zerstört worden." Architekt Hannes
Trösch streift ein Gummiband von einer mit zerknittertem Packpapier
umwickelten Kartonröhre und breitet eine Skizze Zürichs von 1890 aus,
drei Jahre nach dem Bau der Zürcher Quaianlagen durch Arnold Bürkli.
Damals hiess der Bürkliplatz noch Stadthausplatz, und zusammen mit der
Stadthausanlage bildete er einen Ort von fast pariserischer Grösse und
Prägnanz. Dieser Platz war tatsächlich ein Platz dank einer in den See
hinausragenden, kreisförmigen Gartenanlage und der grossen, freien
Fläche der Stadthausanlage, von der rund dreissig Jahre später auch noch
der Neubau für die Schweizer Nationalbank ein beträchtliches Stück
abzwackte. Wie dicke Adern liefen breite Strassen auf die Anlage zu, als
ob diese das Herz der Stadt wäre.
Heute wird dieses Herz vom Verkehr zerschnitten in kleine,
unzusammenhängende Stücke. Der atemberaubende Ausblick auf die Berge ist
verstellt von Ampeln und Fahrleitungen. Der Zugang zum See wird erschwert
durch endlose Autokolonnen, die sich über die Quaibrücke quälen. Nicht
nur der Bürkliplatz sei zerstört, sagt Trösch. In der Innenstadt gebe
es keinen einzigen grösseren Platz, der nicht vom Verkehr zerteilt sei. *
Der 78-jährige Hannes Trösch stammt aus dem Thurgau. 1945 fing er als
Bauzeichner an, im Büro von Max Frisch, das er zehn Jahre später
übernahm. Sein grösster Bau ist die 1973 erstellte städtische Siedlung
Utohof am Fusse des Üetlibergs mit über 160 Wohnungen; kurz nach deren
Vollendung gab er sein Büro auf. Trösch ging zur Stadt und wurde
Sachverständiger für Grabmäler. Noch heute, lange nach seiner
Pensionierung, wälzt er Pläne im Kopf. Wie sich eine Stadt von 300 000
auf 1,5 Millionen Einwohner vergrössern liesse, fragt er sich in
schlaflosen Nächten. Oder wie Zürich wieder zu einem grosszügigen Platz
mitten im Stadtzentrum kommen könnte. *
Trösch rät in seinem "Alterswerk", wie er seine Ideen für
eine neue Quaianlage nennt, in den See hinauszubauen. "Piazza
Grande" heisst der neue Platz in seinen Plänen: Er ist viermal so
gross wie der Paradeplatz; die gesamte Anlage ragt vor dem Bürkliplatz
rund einhundert Meter in den See hinaus. Es gibt keine Aufschüttung,
sondern der Platz liegt auf einer Sammelgarage für 250 Autos, die
wiederum auf den Seegrund gestellt wird. Sein Platz ist gegen den See hin
offen, wo die neue Landungsstelle für die Schiffe entsteht. Er bietet gar
Raum für das neue Kongresshaus, das Zürich so dringend wolle, so Trösch.
Dieser Bau ist so gross wie das Kongresshaus in Luzern, allerdings nur
zweistöckig, damit sich die Seeanstösser nicht beklagen können, der Bau
raube ihnen die Sicht. Im Norden und im Osten ist der Platz von weiteren
Bauten eingefasst. Dort können Geschäfte einziehen, dazu braucht es eine
grosse Toilettenanlage und einen Polizeiposten. Und dank einem
Fussgängersteg, der vom Stadelhoferplatz über den See zum
General-Guisan-Quai führt, haben Fussgänger eine autofreie Verbindung
zwischen den beiden Ufern.
Die Piazza Grande wäre eine Touristenattraktion, ist Trösch überzeugt.
Eine neu einzurichtende Tramlinie 1, die zwischen Bahnhofstrasse,
Limmatquai und Quaibrücke verkehrte, würde die Besucher in einem fort an
den See bringen und die nachts menschenleere Bahnhofstrasse beleben. Das
Einzige, das Trösch auf dem Platz nicht will, sind Konzerte mit lauter
Musik, die dann über den See dröhnt. *
"Ich werde die Realisierung meines Platzes sowieso nicht mehr
erleben", meint Trösch. Selber bauen will er ohnehin nicht mehr:
"Es gibt genialere Architekten als mich." Hat er nicht Angst
davor, ein Phantast genannt zu werden? So wie der Architekt Werner
Müller, der einst vom Arboretum aus das ganze Seebecken auffüllen wollte
und alsbald in der ganzen Stadt "Seepark-Müller" gerufen wurde?
Es sei ihm egal, sagt Trösch, wie man ihn nenne. Das ändere nichts
daran, dass Zürich keinen richtigen Platz habe. Und ohne richtigen Platz
sei eine Stadt keine richtige Stadt. Er zuckt mit den Achseln, schiebt
seine Pläne vorsichtig in die Kartonröhre und verabschiedet sich.
Quelle: NZZ, 31. Juli 2002. Auf der Webseite 2004:
http://www.nzz.ch/2002/07/31/zh/page-article8AZB3.html |
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